Rezension – Ayşegül Savaş: „Unsere Freundschaft ist wie ein Traum“

Titel: „Unsere Freundschaft ist wie ein Traum“

Autor*in: Ayşegül Savaş

Übersetzer*in: Vanessa Kreitlow

Verlag: btb

Jahr: 2022

Seitenzahl: 256 Seiten

Content Notes: –

Bewertung: 4 / 5

Bewertung: 4 von 5.

Zum Buch

„Unsere Freundschaft ist wie ein Traum“ hat mich gereizt, da ich sehr gern Bücher ohne klassische Liebesgeschichten lese. Zwischenmenschliches, nahezu Fliehendes hat oft seine ganz eigene Magie und genau um so eine besondere Verbindung zwischen zwei Menschen geht es in diesem zarten Roman. Zunächst einmal noch vielen Dank an das Bloggerportal für das Rezensionsexemplar!

Inhaltsangabe:

Nunu bezieht ein kleines Appartement in der Nähe des Gare du Nord in Paris, hat Istanbul verlassen. Die ersten Wochen sind geprägt von Schwermut und Veränderung, doch die unverhoffte Begegnung mit ihrem Lieblingsschriftsteller M. lässt eine zarte, besondere Freundschaft entstehen. Entlang der Seine, vertieft in ihre Gespräche, durchlaufen sie Paris – ihre stete Begleitung ist eine Sehnsucht, die sie beide spüren, aber nicht benennen können. Sie teilen ihre Erinnerungen an die gemeinsame Heimat Istanbul, doch nicht nur schöne werden geweckt. Mit der immer stärker werdenden Verbundenheit zu M. wächst auch Nunus Angst, zu viel preiszugeben.

Ayşegül Savaş: „Unsere Freundschaft ist wie ein Traum“

„Unsere Freundschaft ist wie ein Traum“ liest sich wie eine Sammlung an Fragmenten, an losen Erinnerungen. Auf den ersten Blick wirkt alles ein bisschen ungeordnet, ein bisschen roh. Aber Stück für Stück setzen sich wiederkehrende Teile wie ein Puzzle zusammen. Wir erleben alles aus der Sicht von Nunu (oder jeweils anderen Versionen von ihr, die alle andere Spitznamen haben), welche auf ihre Freundschaft zum Autoren M. zurückblickt. Diese Freundschaft ist schwer zu greifen, ebenso wie die Identität von M., welcher nachfolgend auch nicht weiter benannt wird.

So ist unsere Freundschaft in meiner Erinnerung. Wir erzählten Geschichten so lange hin und her, bis sie sich miteinander vermischten. Mit jedem Erzählvorgang hob sich Gewicht von unseren Schultern. Auch, wenn es nur für kurze Zeit war: Damals teilten wir uns eine Gedankenwelt.

Vielleicht haben wir es auch mit der Begeisterung für unsere Geschichten übertrieben, um noch einen Spaziergang machen und unsere Bekanntschaft etwas weiter vertiefen zu können. Doch in den besten Momenten war unsere Freundschaft leicht wie eine Feder – ein Lichtwesen ohne jeden Makel.

Ayşegül Savaş: „Unsere Freundschaft ist wie ein Traum“, S. 250.

Nunus fragmentierte Erinnerungen sind maßgeblich in zwei verschiedene Handlungsstränge aufgeteilt: Paris und Istanbul. Ihre Zeit mit M. und ihre Kindheit mit ihrer Familie – insbesondere ihrer Mutter, ihrem Vater, ihrem Onkel und ihren Tanten. Dazwischen flimmern immer mal Kapitel über ihre Zeit in London mit ihrem Freund Luke und ihrer Mitbewohnerin Molly auf. Der Roman wirkt, als versuche Nunu ihre Gedanken über diese verschiedenen Zeiten; ihr gesamtes bisheriges Leben zu sammeln, sie festzuhalten.

Frauenrunden spendeten bei Tragödien Trost und verankerten sie in Alltag und Routine. Sie holten unverständliche Geschehnisse von ungreifbaren Wolken hinab auf die Erde. Frauenrunden wussten, wie die Welt zu formen war. Meine Großmutter formte die Dinge gekonnt und mit Nachdruck. Sie knetete die klebrige Masse mit großer Ruhe und wusste, dass der Teig irgendwann nachgeben würde, so wie Frauen immer innerhalb von Minuten und mit derselben stoischen Haltung Essensreste und Tellerberge aufräumen konnten.

Ayşegül Savaş: „Unsere Freundschaft ist wie ein Traum“, S. 106.

Und ganz nebenbei erschafft sie Porträts von Paris und Istanbul. Dabei ergibt sich das Bild von Paris eher visuell, fast schon wie der beschriebene Schreibstil ihres Lieblingsautoren M., dem sie ein bisschen nacheifert. Viele Beschreibungen, viele Straßenamen und markante Gebäude. Ein Stadtplan aus Wörtern.

Obwohl ich wusste, dass diese Zufälle weder Wunder noch Omen waren, sondern einfach nur das Ergebnis eines aufmerksamen Blicks auf die Welt und der Suche nach Verbindungen, erstaunten sie mich.

Für M. waren diese Momente lediglich ein Zeichen dafür, dass wir und unsere Umgebung im Einklang waren. Er sagte mir einmal, dass er das Gefühl, diese uns über Zeit und Raum verbindenden, unsichtbaren Fäden wahrnehmen zu können, normalerweise nur tief im Schreibfluss hatte.

Ayşegül Savaş: „Unsere Freundschaft ist wie ein Traum“, S. 147.

Das Porträt von Istanbul hingegen ist abstrakter, metaphorischer und wirkt auf mich dadurch noch intensiver. Die Veränderungen der Stadt ins Negative, die Zerstörung alter Plätze und traditioneller Straßenzüge schmerzten mich beim Lesen ebenso wie Nunus zerrüttetes Verhältnis zu ihrer verstorbenen Mutter, welches sie nach außen hin oft zu überspielen weiß. Familiärer Druck und der durch die Gesellschaft, das Kriseln zwischen den alten und jungen Generationen mischt sich mit der immer prekäreren Situation in Istanbul, politische Kritik bleibt jedoch außen vor.

In den Geschichten meiner Mutter verbarg sich immer derselbe stille Vorwurf. Und genau diesen Vorwurf hörte auch ich bei meiner Ankunft in Istanbul.

Sieh nur, was aus mir geworden ist.

Ayşegül Savaş: „Unsere Freundschaft ist wie ein Traum“, S. 226.

Ayşegül Savaş‘ Schreibstil ist ein ganz ruhiger, filigraner Hauch. Ihre Sprache ist wunderbar malerisch und eignet sich hervorragend für die Art von Werk, welches die Autorin erschaffen hat. Ab und zu fiel es mir jedoch schwer, am Ball zu bleiben. Ebenso, wie die Handlung nicht stringent aufgebaut ist, entsteht nicht ein Sog wie bei manch anderen Büchern. Immer mal ein bisschen zu lesen funktioniert mit „Unsere Freundschaft ist wie ein Traum“ und den sehr kurzen Kapitel sehr gut. Durch den fehlenden Sog gibt es von mir „nur“ 4 von 5 Sternen, aber ich habe das Lesen sehr genossen.

[Rezensionsexemplar]

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