Rezension – Antje Lampe: „SCHON OKAY“

Titel: „SCHON OKAY“

Autor*in: Antje Lampe

Verlag: PROOF Verlag

Jahr: 2021

Seitenzahl: 230 Seiten

Content Notes: Nationalsozialismus, Selbstverletzendes Verhalten, Depression, Tod, Sexismus, Misogynie

Bewertung: 4,5 / 5

Bewertung: 4.5 von 5.

Zum Buch

Als ich vom Erfurter PROOF Verlag für Rezensionsexemplare angefragt wurde, fiel meine Wahl sogleich auf „SCHON OKAY“ von Antje Lampe. Ich bin selbst Dorfkind, zwar in der nordthüringischen Provinz aufgewachsen, aber ich habe geahnt, dass ich mich mit dem Roman tief verbunden fühlen würde. Und das habe ich, denn einige Erfahrungen als Teenager auf dem Land scheinen universal zu sein. An dieser Stelle nochmal einen ganz lieben Dank an den PROOF Verlag Erfurt für das Rezensionsexemplar!

Inhaltsangabe:

Juli lebt umgeben von den Zäunen, die ihre Eltern verkaufen. In dem Dorf, in dem schon wieder kein Bus hält. In den drückend warmen Tagen der letzten Sommerferien, in denen doch eigentlich alles gut sein sollte. Aber die Partys und durchgemachten Nächte reichen nicht aus, damit Juli sich besser fühlt. Etwas muss sich endlich bewegen.

Antje Lampes sensibler Coming of Age-Roman folgt den Spuren ihrer Protagonistin in die Melancholie der Provinz. Schon okay ist das Schulterzucken auf die Frage, wie es einem denn gehe. Zwischen Liebeskummer, Pfeffi, Abschied und Aufbruch spürt die Autorin die Leerstellen des Erwachsenwerdens auf.

Antje Lampe: „SCHON OKAY“

! Vorsicht ! Diese Rezension enthält kleine Spoiler.

„…die Leerstellen des Erwachsenwerdens…“ – hach, allein bei der Inhaltsangabe war ich bereits hin und weg und machte mich gefasst auf einige schmerzhaft gut nachvollziehbare Gefühle und Gedankengänge von Protagonistin Juli. Ich glaube, ich habe mir noch nie so viele Abschnitte und Zitate rausgeschrieben und abfotografiert wie bei diesem Buch. Es gab einfach sooo viele Stellen, die mich berührt oder zum Schmunzeln gebracht haben! Ein paar Auszüge habe ich in meiner Instagram-Story geteilt und einige meiner alten „Dorfkollegen“ haben genauso amüsiert, teils melancholisch darauf reagiert wie ich.

„Und Timo?“, fragte die Mutter weiter, während sie die Möhrenstifte in eine Schüssel schob.

„Keine Ahnung. Der wird wahrscheinlich Politikwissenschaft studieren oder so was.“

„Und was will er damit machen?“

Der Todesstoß, wenn es um Zukunftspläne ging. Du hast also einen Studiengang gefunden, der dich halbwegs interessiert, obwohl du die Beschreibung im Studienführer nach zehn-, zwanzigmaligem Lesen noch immer nicht wiedergeben kannst – jetzt sag, was willst du damit genau machen? Wofür soll das gut sein?

Antje Lampe: „SCHON OKAY“, S. 111.

Antje Lampes Schreibstil hat mir ausgesprochen gut gefallen. Ich persönlich bin großer Fan von Kapiteln ohne Dialog und etwas abstrakten Bewusstseinsströmen. Die findet man in „SCHON OKAY“ häufiger, gut eingebettet in eher handlungstreibende Kapitel mit vielen Geschehnissen und Gesprächen. Genau diese Mischung führt letztendlich auch dazu, dass sich das Buch schnell durchlesen lässt. Am Anfang hatte ich ein bisschen Probleme, mich voll und ganz auf die Handlung einzulassen, da die Kapitel der Gegenwart und die Erinnerungen an Julis Beziehung mit Konrad sehr ineinanderfließen. Das hat sich nach ein paar Seiten aber gelegt.

Vermutlich wären all seine Meinungen wohlwollend. Das war das Schlimmste. Er wünschte ihr nur das Beste und meinte das auch so. Ganz am Ende hatte er gesagt, er wollte, dass sie glücklich ist. Juli hätte fast gelacht, angesichts der Situation, dass er sich gerade von ihr trennte. Erzähl mir nichts von Glück. Wahrscheinlich war das sein voller Ernst gewesen. Er wollte, dass sie glücklich war, so wie sie ihm an dem Abend in der Konzerthalle alles Glück der Welt gewünscht hatte. Er wollte nur nicht dafür verantwortlich sein.

Antje Lampe: „SCHON OKAY“, S. 178.

Juli, ihre Freunde – alte wie neue – und Familienmitglieder sind mir alle sehr ans Herz gewachsen. Mine, die große, augenscheinlich so perfekte Schwester und dagegen Juli, die künstlerische Seele, das schwarze und zugleich irgendwie bunte Schaf der Familie. Konrad, Julis Exfreund, mit dem sie nicht mehr „JuliundKonrad“ (S. 11) ist und der durch seine Abwesenheit immer noch wie ein Schatten über Juli hängt. Bendik, eine kurze Bekanntschaft, inklusive all der Klischees über Berliner Kunststudierende (von denen ich bestätigen kann, dass sie teilweise wahr sind hahaha). Lara und Timo, die alten Kindheitsfreunde, die alles und vor allem den Sommer in der Provinz irgendwie erträglicher machen. Wie gern hätte ich noch mehr über Timos queere Identität erfahren, welche er anscheinend gerade durch und mit fellow Dorfkind Moritz entdeckt. Aber Juli ist nun mal die Protagonistin, also liegt der Fokus auf ihr.

Eine Melancholie überfiel sie. Hinterrücks, sie hatte sie nicht kommen sehen. Vielleicht wäre es doch okay gewesen, wenn dort Bendik gestanden hätte. Es müsste ja auch gar kein großes Aufheben darum gemacht werden. Sie könnten einfach nur zwei Menschen sein, die sich zufällig begegneten und die sich irgendwie mochten und die dann zurück mussten, um auf die richtigen Züge zu warten. Und die wussten, wie der jeweils andere nackt aussah, dachte Juli. Beste Voraussetzungen für ein ungezwungenes Wiedersehen.

Antje Lampe: „SCHON OKAY“, S. 166f.

„SCHON OKAY“ zeichnet mit Aquarellfarben, tristem Grau und tiefem Schwarz einen Sommer, der Ende und Beginn und irgendwie alles dazwischen ist. Der Erinnerungen an die eigene Jugend auf dem Land, in den unerträglich langweiligen, teils (grenz-)rechten Kuhkäffern weckt. Der auch mich daran erinnert, warum ich dieser ohnmächtigen Idylle einst entflohen bin. Und ich empfinde ganz viel Empathie und Liebe für Juli und ihre Suche nach dem Selbst. Für ihren Liebeskummer. Für die Irrungen und Wirrungen, die Reisen nach Berlin, Amsterdam, das Ende der Welt. Für die Depression, die sie sich selbst gegenüber nicht so recht anerkennen will. Ist ja alles „schon okay“, nicht wahr? Ja, es ist okay. Okay, dass es eben nicht okay ist. Insgesamt gebe ich „SCHON OKAY“ 4,5 von 5 Sterne und eine ganz große Leseempfehlung ❤

[Rezensionsexemplar]

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