Überblick
Titel: „The Haunting of Hill House“
Autorin: Shirley Jackson
Jahr der ersten Erscheinung: 1959
Genre: American Gothic, Horror, Thriller
Bewertung: 5 / 5
„Promise me absolutely that you will leave, as fast as you can, if you begin to feel the house catching at you.“
„The Haunting of Hill House“, S. 124
Zum Buch
Die Rezension diese Woche gibt es ein bisschen eher, da am 1. November schon die K-Music Favoriten für Oktober anstehen. Also teile ich diese Rezension passend zu Halloween mit euch! Ich habe mich richtig gefreut, dieses Buch für den Spooktober nochmal zu lesen. Schon beim ersten Mal bin ich schnell durchgekommen und habe die Seiten hastig durchgeblättert, um zum Ende zu gelangen. „The Haunting of Hill House“ von Shirley Jackson ist, wie auch „The Turn of the Screw“ vor zwei Wochen, ein Reread aus einem alten Seminar von mir zu American Gothic. Am einfachsten lässt sich der Begriff mit „Schauergeschichten“ übersetzen. Das entspricht ungefähr dem deutschen Pendant, worunter zum Beispiel „Der Sandmann“ von E. T. A. Hoffmann fällt.
Ich bin der Meinung, dass meine Ausgabe von den Modern Classics von Penguin Books viel zu große Spoiler in der Inhaltsangabe enthält, deshalb habe ich euch eine andere und noch eine deutsche Version herausgesucht.
The classic supernatural thriller by an author who helped define the genre. First published in 1959, Shirley Jackson’s The Haunting of Hill House has been hailed as a perfect work of unnerving terror. It is the story of four seekers who arrive at a notoriously unfriendly pile called Hill House: Dr. Montague, an occult scholar looking for solid evidence of a „haunting;‘ Theodora, his lighthearted assistant; Eleanor, a friendless, fragile young woman well acquainted with poltergeists; and Luke, the future heir of Hill House. At first, their stay seems destined to be merely a spooky encounter with inexplicable phenomena. But Hill House is gathering its powers-and soon it will choose one of them to make its own.
Quelle: https://www.hugendubel.de/de/buch_gebunden/shirley_jackson-the_haunting_of_hill_house-19153195-produkt-details.html?internal-rewrite=true
Vier Menschen betreten die alte Villa, die als Hill House bekannt ist. Sie wollen die übernatürlichen Phänomene, die sich angeblich darin ereignen, untersuchen. Die vier werden etwas Böses erleben, das sich ihrer Kontrolle und ihrem Verstand entzieht. Sie können unmöglich wissen, dass sie von dem Haus selbst angelockt wurden und welche bösen Pläne es verfolgt…
Das Meisterwerk der ‚Queen of Horror‘, der wichtigsten Autorin unheimlicher Literatur und Vorbild für Stephen King und viele andere Autoren.
Quelle: https://www.hugendubel.de/de/buch_gebunden/shirley_jackson-spuk_in_hill_house-34680402-produkt-details.html?searchId=1831441985
Ich bin, wie schon oft erwähnt, ein kleiner Angsthase und bevorzuge eine langsam den Rücken hochkriechende Gänsehaut, anstatt einen direkten Schreck, der einem in die Glieder fährt wie ein Blitz. Passend zur einsetzenden Dunkelheit während der Dämmerung darf auch das Grauen in den Büchern langsam, aber beständig wachsen. Und dafür ist „The Haunting of Hill House“ ein sehr gutes Beispiel.
Geschrieben ist das Buch vornehmlich aus Sicht von Eleanor Vance, welche sich jahrelang um ihre kranke Mutter gekümmert hat und nach deren Tod zu ihrer Schwester gezogen ist. Dr. Montague hat sie und Theodora, „Theo“, geladen, um mit ihm die Aktivitäten im sogenannten Hill House in der Nähe des Städtchens Hillsdale zu erforschen. Die Damen verfügen über Vorgeschichten mit paranormalen Aktivitäten und der Doktor erhofft sich von der Anwesenheit von Eleanor und Theodora, dass sie die Forschungen unterstützen und die Aktivitäten eventuell auch verstärkt wahrnehmen können. Zu ihnen gesellt sich noch der zukünftige Erbe des Anwesens, Luke Sanderson. Des Weiteren wird das Haus vor und während des Aufenthalts der Besucher vom Ehepaar Dudley in Schuss gehalten. Besonders Mrs. Dudley betont sehr häufig, dass sie das Haus vor Einbruch der Dunkelheit verlässt und hält einen strengen Zeitplan für die Mahlzeiten ein.
Zu Beginn begleitet die Leserschaft Eleanor auf ihrer Reise zum Hill House und schon dabei wird schnell deutlich, um was für einen Charakter es sich handelt. Eleanor ist äußerst unsicher, teilweise gar scheu und ein kleines Träumerchen. Sie ist zwar Anfang 30, wirkt aber unausgeglichen wie ein Teenager. Später bekommt man den Eindruck, dass sie mitunter unfähig ist, die Aussagen und sozialen Handlungen der anderen richtig zu deuten. Besonders in Bezug auf die selbstbewusste Theodora scheint Eleanor gemischte Gefühle zu haben.
Ansonsten haben wir ganz klassische Merkmale dieser Sparte: ein altes Haus mit einer dunklen Vergangenheit, die ihre Fühler bis in die Gegenwart streckt. Poltergeistphänomene, kalte Stellen mitten im Raum, unerklärliche Geräusche. Blutspuren und Schriften an der Wand, die keiner der Besucher dort hinterlassen hat, und eine rätselhafte Hundegestalt. An einer Stelle auch ein Geisterphänomen. Tatsächlich könnten sich einige der Vorkommnisse rational erklären lassen und teilweise versuchen die vier Personen das auch. Aber vieles lässt sich eben nicht erklären.
The nursery, larger than the other bedrooms, had an indefinable air of neglect found nowhere else in Hill House, and it crossed Eleanor’s mind that even Mrs. Dudley’s diligent care might not bring her across that cold barrier any oftener than necessary.
„The Haunting of Hill House“. S. 119
Was ich dabei besonders mag ist die Abstraktion des Bösen. Es wird kein Geist eines verstorbenen Menschen für den Spuk verantwortlich gemacht oder ein anderes übernatürliches Wesen. Viel mehr ist es das Haus selbst, welches von Grund(-riss) auf böse ist. So, wie das Böse manchmal in der Natur des Menschen liegt, liegt es im Fall von Hill House am Aufbau des Hauses. Es ist bewusst schräg und ungenau errichtet worden und die Besucher verirren sich regelmäßig in den Räumen. Wie genau die rätselhaften Todesfälle in der Vergangenheit und paranormalen Aktivitäten damit zusammenhängen, wird nie ganz geklärt. Aber darin liegt halt der Reiz dieses literarischen Genres. Das können die Albträume der Leser*innen ja im Nachhinein entscheiden, hehe.
„Angles which you assume are the right angles you are accustomed to, and have every right to expect are true, are actually a fraction of a degree off in one direction or another. I am sure, for instance, that you believe that the stairs you are sitting on are level, because you are not prepared for stairs which are not level-“
They moved uneasily, and Theodora put out a quick hand to take hold of the balustrade, as though she felt she might be falling.
„The Haunting of Hill House, S. 105f
Neben den Spukerscheinungen bleibt das größte Grauen die menschliche Psyche und die Wege, auf denen unsere Sinne zu wandeln vermögen, wenn wir die Kontrolle darüber verlieren. Das Haus knüpft sich dabei wie ein Parasit an eine der Personen und beginnt, sein böses Unwesen mit allen zu treiben. Dabei artet dies immer weiter aus, die Beziehungen der Personen untereinander fangen an zu bröckeln und der Spuk wird immer offensichtlicher. … Oder ist das Haus immer von der jeweils mental instabilsten Person besessen und lediglich ein Ausdruck des inneren Wahnsinns? Darüber lässt sich spekulieren.
…I will never be able to sleep again with all this noise coming from inside my head; how can these others hear the noise when it is coming from inside my head? I am disappearing inch by inch into this house, I am going apart a little bit at a time because all this noise is breaking me; why are the others frightened?
„The Haunting of Hill House“, S. 201f
Trotz des Horrors liest sich das Buch an einigen Stellen äußerst komödiantisch. Besonders einige der Dialoge finde ich äußerst gelungen und das Leseerlebnis wird dadurch sehr real. Später kommen noch die Frau des Doktors und ihr Assistent Arthur hinzu, welche gegen Ende nochmal für das ein oder andere Schmunzeln sorgen. Ganz besonders Mrs. Montague, welche mit klassischen Séancen und einem Board ähnlich einem Ouija-Board irgendwie lächerlich wirkt, ihren Mann aber fest im Griff hat.
„The Hauting of Hill House“ ist ein Buch, was man nicht einfach nur für den schnellen Grusel lesen sollte. Denn aus literarischer Sicht finde ich es genial gemacht. Es gibt so viele kleine Details, die bereits auf den ersten Seiten vorkommen und die man sich merken muss, um später einige Punkte zu verbinden. Ohne euch jetzt das Ende zu spoilern, aber man kann sich vieles letztendlich selbst herleiten. Erklären kann man die Ereignisse aus rationaler Hinsicht zwar nicht, aber sie logisch verknüpfen. Dabei ist das Ende natürlich gruselig, aber in erster Linie auch sehr tragisch. Also sozusagen eine Tragikhorrorkomödie? Ich finde, das Werk ist eine Meisterleistung von Shirley Jackson, die den Titel „Queen of Horror“ und das Lob von z. B. Steven King und Neil Gaiman absolut verdient. 5 von 5 Sternen! In Zukunft werde ich bestimmt nochmal lesen.
Die Netflix-Verfilmung habe ich damals nicht geguckt, denn da war die Serie noch ganz frisch und ich wollte mich nicht selbst spoilern, bevor ich das Buch gelesen hatte. Neulich habe ich den Trailer gesehen und ich glaube, das ist nichts für mich… Dieses Mal hängt mein Herz viel zu sehr am Original. Aber ich muss sagen, das Cover für die Serie (und das der Neuauflage des Buches dazu) finde ich richtig gelungen! Besser als das Cover der Version von Penguin Books.
Liebe Alina,
vielen Dank für deine Rezension! Ehrlich gesagt hat es mich schon beim Lesen deiner Worte und vor allem der Zitate gegruselt! Du weißt, Horror ist absolut nicht mein Fall. Trotzdem finde ich dieses Werk sehr spannend! Du hast super verdeutlicht, dass es nicht einfach nur ein gruseliges Buch ist, sondern auch aus literarischer Sicht sehr gelungen ist – das gefällt mir!
Die Netflix-Serie habe ich damals tatsächlich geschaut. Ich erinnere mich aber kaum mehr an sie (wahrscheinlich weil es für mich zu unheimlich war und ich nur selten hingeschaut habe) 😀
Liebe Grüße,
Luna
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Liebe Luna,
vielen Dank für deine Rückmeldung, obwohl das Genre eher nicht so deins ist! Aber zumindest, was die Serie angeht bin ich auf deiner Seite. Da bin ich auch eine große scary cat. 😀
Liebe Grüße
Alina
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Hallöchen Alina!
Nun hast du mir direkt Lust gemacht, ebenfalls einen reRead des Buches anzugehen 😀 Ich mochte ebenfalls diesen subtilen Horror mit den humorigen Einschüben, Nells Entgleitung in die Gedankenwelt und natürlich Hill House an sich.
Wir haben die Serie letztens erst noch zweiten Mal gesehen und sie ist immer noch SO gut! Sie nimmt sich die Essenz des Buches und macht es neues, ebenfalls sehr böses daraus. Ich weiss gar nicht, ob wir schon mal über Das Geisterschloss gesprochen haben? Diese Verfilmung liebe ich ja auch sehr =)
Alles Liebe!
Gabriela
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Liebe Gabriela,
freut mich, dass du wieder vorbeigeschaut hast! 😀 Ich muss auch unbedingt noch deine Geschichten für Halloween durchlesen!
Ich denke, das Buch kann man wahrscheinlich als die perfekte Mischung bezeichnen! Und Rereads sind sehr spannend meiner Meinung nach, das wäre doch mal was?
Ah, ich habe immer sooo Angst vor Jump Scares, hahaha, das hält mich von Verfilmungen immer ein bisschen ab. 😀
Liebe Grüße
Alina
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Ich reReade sehr viele meiner Bücher, wenns mich überkommt, ja 😀 meine Jane Austens zB hab ich bestimmt auch schon 5 oder 6 mal gelesen. 😅
Die Serie is tatsächlich wenig auf diesen Jump Scares aufgebaut, ich mag sowas auch nicht besonders. Hier kommt dee Horror doch subtiler, wie im Buch =D
Alles Liebe!
Gabriela
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